Hans-Jürgen Kintrup
Wolfgang Mussgnug
Hans-Jürgen Kintrup und Wolfgang Mussgnug vor dem Selbstporträt
Wolfgang Mussgnug, der Künstler der in der Galleria Calù vom 18. März bis zum 29. April seine Bilder und Glasobjekte ausstellte, führte in das Werk von Hans-Jürgen Kintrup ein.

Lieber Jürgen, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde der Kunst,


H.J.K. wurde im Oktober 1945 in Waldmünchen im Bayerischen Wald geboren. Nach dem Abitur in Lauingen begann er ein Studium an der Akademie der Künste in München bei den Professoren Oberberger und Zacharias, das er mit dem Kunsterzieherexamen und einem Diplom abschloß.

Er lehrte als Kunsterzieher in Straubing, an der D.S. Istituto Giulia in Mailand und von 1985 bis 2009 am THG in Nördlingen. Das ist auch der Grund, warum wir hier in dieser Konstellation versammelt sind.


Ich behaupte: Kintrup ist ein Landschaftsmaler: Hm, werden sie sagen, wo ist denn da die Landschaft?
Das Gefüge aus horizontalen und vertikalen Linien, die Flächen erschaffen, möchte ich als Landschaft bezeichnen. Es ist eine virtuelle Landschaft

Mit Nachdruck, mit seiner ihm eigenen Nachdrücklichkeit bringt er die Landschaft zum Schweben, sie wirkt beiläufig zwischen dem bedeutsamen und dem Unbedeutsamen. Es lohnt sich allemal, in den Bildern den Farben, Nuancen, Verläufen nachzulauschen. Manchmal schafft er es sogar, den Eindruck zu vermitteln, die Zeit bliebe stehen.

K. verwendet ein sehr reduziertes Vokabular, horizontale und vertikale Farbstreifen -und manchmal nicht mal das, da lässt er auch noch die Farbe weg - aber lassen sich nicht auch mit wenigen Worten zauberhafte Verse formulieren, wünscht man sich häufig nicht, die Geschwätzigkeit der Welt möge von einem Abstand halten.

Manchmal habe ich den Eindruck, er durchstößt mit Gewalt die Fläche, schneidet Fenster hinein, um von hinten einen neuen Rhythmus in das Bild zu treiben. Ich habe den Eindruck, hinter den Gemälden steht eine Person, die beides in sich vereint: den Impuls der Leidenschaft und den Impuls zur Ordnung.


Kintrup beginnt mit einem Liniengefüge. Dieses Gerüst wird nun mittels Farbe oder eben nur mit Kohle in die Fläche umgesetzt, Transparenz, Dynamik und Volumen entstehen durch schichtweises Arbeiten. Teilweise sind die Schichten so dünn, dass die tatsächliche Struktur des Malgrundes sichtbar bleibt.

Wegen dieser Schichtung des Farbauftrages hat er es auch nicht nötig, seine Palette zu mischen, E R mischt die Farben, indem er sie übereinanderlegt.

Dass dies Zeit in Anspruch nimmt, Auftrag - Trocknung - nächste fast unsichtbar dünne Schicht - Trocknung etc. lässt sich leicht nachvollziehen. Um einen solchen Farbverlauf zu malen, vergeht also Zeit. Die Farbe, resp. das Licht, macht also nicht nur einen Raum sichtbar, sondern auch die Zeit, in der der Raum entsteht.
K. ist sich des Zusammenhangs zwischen Raum und Zeit bewusst. Der Raum den er schafft, ist kein einheitlicher Raum, kein realer Raum, er ist teils offen, teils verstellt.

So wie er keine Linearperspektive, also keinen eindeutigen Standpunkt zulässt, spielt er auch mit der Waagerechten, er erschafft eine Landschaft (im weitesten Sinne) mit mehreren Horizontalen, mehreren Horizonten. Im Zusammenhang mit der vertikalen Struktur baut er aus stehenden und liegenden Linien eine architektonische Landschaft.

Und wenn sie sich die einzelnen entstanden Felder anschauen, sehen Sie, wie vielseitig er die Farbe/resp. die Kohle einzusetzen weiß: mal hinten, mal vorne, heller, dunkler - und im Verlauf einer Kante verändert sich die jeweilige Bedeutung: plötzlich ist vorne dahinter, hell wird dunkel und umgekehrt. Er nutzt die Farbe als Kontrastmittel wie er Hell dunkel als Farbe einsetzt. So gelingt es ihm, ein Gleichgewicht zwischen Farbe und Kontrast herzustellen.
Noch ein Wort zum Thema Licht. So wie er mit mehreren Horizonten spielt, lässt er auch das Licht nicht aus einer Richtung kommen - es kommt fast ausschließlich von hinten - aber aus verschiedenen Richtungen.

Dass K, wie wohl viele Künstler, bis zur Fertigstellung an seiner Arbeit zweifelt, dass er immer volles Risiko geht und die Auseinandersetzung mit der weißen Leinwand oder dem Papier eine immer völlig neue ist, mag uns angesichts seines stringenten Werks überraschen, aber Kunst und Sicherheit sind kein Paar. Kintrup sagt: eigentlich kommt nie raus, was ich mir ausdenke, ich bin vom Ergebnis immer überrascht.

Obwohl Kintrup nun wirklich kein Menschenmaler ist, hat er eine sehr kluge und elegante Lösung eines Selbstbilnisses gefunden:
Plinius berichtet im ersten Jahrhundert n.Chr Eine Geschichte aus dem antiken Griechenland es geht um die Erfindung der Malerei die Tochter des korinthischen Töpfers Dibutades muß ihren Geliebten auf eine Seereise nach Kreta ziehen lassen und verabschiedet sich von ihm bei Herdfeuer und Lampenlicht und zeichnet seinen Schatten an die Felswand, den Umriß füllte der Vater mit darauf gedrücktem Ton und machte ein Abbild, das er im Feuer brannte.


(Gestatten sie mir eine persönliche Anmerkung zu diesem Thema: Mit dem Festhalten des Schattens unterlag Dibutades einer Versuchung, welcher der Mensch bis heute Tribut zahlt, indem er bereit ist, die Reflexe von Erscheinungen für das Wesen der Dinge anzusehen und das alltägliche Schattentheater für die wahre Welt zu halten.)

Selbiges Szenario nutzt Kintrup für einen Schattenriß, den er als Kontur seiner Person in das Bild einarbeitet. Auch schaut der Künstler das Bild, da er den Pinsel in der scheinbar linken Hand führt.

Nun bitte ich Sie, wie der Künstler, sich Zeit zu lassen, bitte achten Sie auf die Worte, Zeit lassen, sich Zeit lassen - denn mit der Zeit ist es wie mit der Liebe: nur durch Verschwendung wird man reich.

Ich hoffe Ihnen in den letzten Minuten den Künstler H.J.K. und seine Arbeit etwas näher gebracht zu haben, ihren Horizont etwas erweitert zu haben, aber denken Sie daran, dies ist nur ein Standpunkt - mein Standpunkt, aber Sie wissen, das Licht kommt aus vielen Richtungen.

(nicht ohne Emil Nolde zu zitieren, dessen Worte perfekt auf dich, lieber Jürgen, passen:


Farben waren mir ein Glück und mir war es, als ob sie meine Hände liebten.)

Vielen Dank


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